1 alter Peugot + 13 Passagiere +  9 Stunden + 233 km

= eine weitere erzählenswerte Geschichte aus dem guineischen Alltag. Aber nun von vorne: Anfangs Monat verbringe ich einige interessante, erholsame und „kühle“ Tage in Labé, einer grösseren Stadt im Norden Guineas. Labé gilt als islamische Hochburg Guineas und ist das Zuhause von vielen Menschen vom Volk der Peul (deren Sprache ich gerade am Lernen bin). Obwohl ich erst knapp 4 Monate in Gaoual bin, bin ich fast etwas erschlagen von dem grossen Angebot in Labé: Hier gibt es Rüebli, Äpfel und sogar richtige Milch aus der Tetrapackung (zwar abgepackt in Frankreich und importiert durch Singapur – aber nach mehr als 3 Monaten Pulvermilch ignoriere ich alle FairTrade und Ökologie-Gedanken erfolgreich).

 

Dies ein kleiner kulinarischer Abschweifer. Nun zurück zur eigentlichen Geschichte: Mein gut schweizerisch gemachter Plan ist, dass ich am Mittwochmorgen mit einem Taxi zurück nach Gaoual fahre. Nun ist es in Guinea so, dass die Taxis nicht nach Fahrplan (ich bezweifle, dass die Guineer überhaupt wissen, was das ist) fahren, sondern dann, wenn das Taxi voll ist. Das heisst, wenn 8 Personen sich bereit erklärt haben den Fahrpreis zu bezahlen und in den in Europa ausrangierten grün-gelb bestrichenen Peugot zu steigen. Abdoulaye*, mein persönlicher Motorad-Taxi-Chauffeur während meinem Aufenthalt in Labé, sollte also am Dienstag ein Taxi für mich ausfindig machen, das am Mittwoch fahren würde. Tatsächlich findet er eines, das schon 5 Plätze besetzt hat. Mit mir wären es also schon 6 Passagiere. Falls noch zwei reisefreudige Personen gefunden würden, würde das Taxi jedoch schon am selben Abend losfahren. Da man nie sicher sein kann, wann das nächste Taxi voll sein und starten wird, erkläre ich mich bereit schon am Dienstagabend loszufahren. So packe ich schnell meine sieben Sachen und die obligatorischen Mitbringsel für Nachbarn, Freunde und Bekannte in Gaoual und warte auf ein Telefon von Abdoulaye, das den Startschuss für die Reise geben sollte. Da ich mich in Afrika befinde, denke ich jedoch dass es eher morgen als heute losgeht. Doch um 16 Uhr heisst es tatsächlich, dass das Taxi voll sei und wir losfahren können. Also schnell meine zwei Gepäckstücke packen, auf das Motorrad von Abdoulaye hüpfen (übrigens gar nicht so einfach mit langem Jupe und Gepäck) und zum Taxistand fahren. Dort angekommen, erfahren wir, dass die einte Passagierin noch nicht gekommen sei und dass sie über die hinterlassene Telefonnummer nicht zu erreichen sei. So schnell würde es also doch nicht losgehen. Ich bezahle schon mal für meinen Platz und mein Gepäck und verabschiede mich von Abdoulaye, der mich meinem Schicksal überlässt. Dann setze ich mich vor eine der Boutiquen, beobachtete wie das Gepäck gekonnt auf das Dach gepackt wird und freunde mich schon mal mit zwei meiner Mitpassagierinnen und deren Babies an. Irgendwie taucht sogar die gesuchte Passagierin innert kurzer Frist auf und so können wir nach weniger als einer Stunde einsteigen. Vorne der Chauffeur und ein Mann, auf dem mittleren Sitz eine alte Frau, eine junge Frau mit Baby, ein junger Mann und ich. Auf dem extra eingebauten hinteren Sitz nehmen ein junges Paar mit Baby und eine weitere junge Frau ebenfalls mit Baby Platz. Wer gut mitgerechnet hat, kommt auf 12 Personen. Die 13. Person – wie im Titel erwähnt – bemerke ich erst etwa in der Hälfte unserer Fahrt als der einte Passagier etwas aus dem Fenster ruft und vom Dach des Autos eine Antwort kommt.

 

Gut eingepfercht geht es also los. Normalerweise dauert die Fahrt der 233 km etwa 5 Stunden und so rechne ich damit, um 22 Uhr in Gaoual anzukommen. Schon nach wenigen Metern zweifle ich jedoch an dieser Rechnung. Unser Taxi hat wohl schon bessere Tage gesehen und der Chauffeur muss bei jeder Strassenunebenheit stark auf die Bremsen stehen. So tuckern wir erst über die von den Chinesen gebaute Teerstrasse und als diese zu einem Ende kommt, über die mit Schlaglöchern versehene Piste. Schon nach kurzer Zeit halten wir, alle steigen aus und wer will, füllt sich in einem der Strassenrestaurants seinen Magen mit Reis. Die einte Passagierin nutzt die letzte Gelegenheit, um Einkäufe zu machen und verärgert den Chauffeur, weil er nochmals neu verladen muss. Bald heisst es „Main, main“ – „Gehen wir, gehen wir“, alle steigen wieder ein und weiter geht’s. Immer wieder mal müssen wir einen Stopp einlegen, damit der Chauffeur das Auto wieder fahrtüchtig machen kann. Fragt mich nicht, was er da genau macht. Ich sehe nur, dass er die Motorhaube aufmacht und den Kanister mit Wasser verlangt. So vergeht die Zeit. Gespannt erwarte ich das Eindunkeln. Dann wird sich nämlich zeigen, ob unser Taxi auch Licht hat, was nicht schlecht wäre, da es im Busch keine Strassenlampen gibt. Wahrscheinlich bin ich die Einzige, die sich darum Sorgen macht. Nach einem wunderschönen Sonnenuntergang nehme ich mit Erleichterung zur Kenntnis, dass zumindest die Frontlichter funktionieren.

 

Es ist inzwischen nach 21 Uhr und wir sind noch nirgends. Drei der Passagiere sind bald an ihrem Ziel. Ihr Dorf befindet sich jedoch laut meinem Sitznachbar etwas abseits der Hauptstrasse und da es schon Nacht ist, möchten sie diesen Weg verständlicherweise nicht mehr unter die Füsse nehmen. So erklärt sich unser äusserst sozialer Chauffeur bereit, die Passagiere bis zu ihrem Dorf zu fahren. Mein Sitznachbar versichert, dass es nur 3 km von der Hauptstrasse weg ist. Gefühlt sind es jedoch 20 km - meint übrigens auch der Chauffeur irgendwann. Im Dorf angekommen, steigen alle aus und die Neuankömmlinge werden herzlich von der ganzen Familie begrüsst. Ich ergreife die Gelegenheit der allgemeinen Freude und der Dunkelheit, um eine Toilette oder besser gesagt einen Busch aufzusuchen.

 

„Main, main“, alles wieder einsteigen und weiter geht es mit viel mehr Platz, so dass ich sogar etwas dösen kann. Bis das Taxi plötzlich verstummt und nicht mehr weiterfährt und ich mich bereits am Strassenrand übernachten sehe. Nach ein paar Anlassversuchen durch den Chauffeur und eines Stossgebets meinerseits setzt sich das Taxi ratternd wieder in Bewegung und der Schreck lässt nach. Doch die Freude währt nicht lange. Das Gleiche wiederholt sich, doch diesmal ist es ernster. Alle aussteigen. Der rechte Vorderpneu ist platt – völlig platt, so dass es sogar ein Antiautospezialist wie ich sieht. Ganz entgegen guineischer Gewohnheit hat unser Chauffeur ein Ersatzrad dabei, das im Lichtstrahl einer Taschenlampe gewechselt wird. So heisst es nach kurzer Zeit wieder „Main, main“, alle wieder einsteigen und weiterfahren. Sehnsüchtig warte ich auf die Stelle auf der Strecke, wo wir den Fluss mit einer Fähre überqueren müssen. Nicht weil ich so gerne in einem Klapperauto auf einer von Hand angekurbelten Klapperfähre über das Wasser gleite, sondern weil dies bedeuten würde, dass es nicht mehr allzu lange dauern kann bis Gaoual. Als um 1 Uhr nachts die Fähre immer noch nicht in Sicht ist, frage ich vorsichtig nach. „Doch, doch, da sind wir schon lange vorbeigekommen“, antwortet der Glückliche, der den Vordersitz ganz alleine für sich gepachtet hat. Erleichterung breitet sich aus und gleichzeitig zweifle ich ein bisschen an meinem Gedächtnis und meiner Aufmerksamkeitsfähigkeit. Wieso habe ich gar nichts davon bemerkt? Ich habe doch gar nicht geschlafen… und wenn, wäre ich beim nächsten Schlagloch wieder erwacht. Wie auch immer wir den Fluss überquert haben, ich bin erleichtert, dass wir in sehr naher Nähe von Gaoual sind. Und tatsächlich erreichen wir eine gute Stunde später den Taxibahnhof von Gaoual, wo mich ein netter Schweizer Mitarbeiter bereits erwartet. Dieser erklärt mir dann, dass es eine Umfahrung gibt, bei der der Fluss an einer seichten Stelle ohne Fähre überquert werden kann. Mit meinem Kopf ist also alles in Ordnung, ausser dass er nach 9 Stunden Taxifahrt etwas müde ist.

 

*Name der Redakteurin bekannt

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Doro (Montag, 16 Mai 2016 20:20)

    Hey Naemi
    Sooo spannend, was du aus erläbsch!!! I liebes, dini Blog-Iiträg z läse. Du schriebsch mega guet, packend u ou so humorvoll :-)
    I bi froh, hesch du die krassi Fahrt ohni "Dachschade" :-) :-) überstande u bisch du wohlbehalte wieder z Gaoual aacho. Bis eifach witerhin mega riich gsägnet u bewahrt vo üsem tröie Gott!

  • #2

    Myriam (Montag, 30 Mai 2016 04:08)

    hahaha sehr spannend! Danke Naemi. Hani gärn gläse! Witerhin alles Guei u Gottes Säge!