Nachträglicher Liveticker von einer Namensgebung

Unsere Nachbarn bekommen Besuch von der hochschwangeren Maimouna*. Sie wohnt normalerweise bei ihrem Mann in einem Dorf, das ca. 25 km von der Stadt Gaoual enfernt ist. Für die Geburt will sie in der Stadt sein, weil es hier ein Krankenhaus gibt. Ihr Mann ist aber nicht einverstanden damit und beordert sie eines Tages wieder zurück ins Dorf. Am nächsten Tag bringt Maimouna eine kleine Tochter auf die Welt. Eine Woche später findet jeweils ein Fest statt, an dem der Name bekannt gegeben wird. Da viele aus meiner Nachbarschaft Maimouna gut kennen, entscheide ich mich mit einem Auto dorthin zu fahren und mitzunehmen, wer mit will. Am Abend zuvor informiere ich alle meine Begleiterinnen, dass die Reise am nächsten Morgen tatsächlich stattfinden wird. Normalerweise wird der Name um 10 Uhr bekannt gegeben, dann wird Reis gegessen und alle gehen wieder nach Hause. Ich rechne also mit einem kurzen Ausflug. Wer meine Blogs regelmässig liest, ahnt jedoch bereits, dass es anders kommen wird.

7:10 Ich bin gerade aufgestanden. Binta*, das junge Nachbarsmami, steht vor der Tür. Ob ich schon gefrühstückt hätte? Nein, aber das werde ich gleich tun und dann das Auto bei den einten Schweizer Kollegen in Sinthourou, einem Aussenquartier von Gaoual abholen. Kein Stress, wir sind doch in Guinea...

 

8:00 Ich bin bereit und verabschiede mich von Neene Samba*, mit deren Familie ich den Hof teile. Ich versichere ihr, dass ich gleich wieder mit dem Auto zurück bin. Sie solle sich bereit machen. Sie meint, ich hätte getrödelt. Wirklich? Ich glaube, sie kann sich nicht vorstellen, wie schnell wir mit unserem Landcruiser auf der neuen Teerstrasse vorwärts kommen werden.

 

8:15 Ich habe das Auto und hole Fatima* ab, deren Haus am Weg liegt. Ob sie bereit sei, frage ich beim Eintreten. Noch nicht ganz. Sie müsse noch das Baby waschen und anziehen und sich selber ankleiden. Ich helfe ihr mit dem Baby, so sind wir schneller. Schliesslich warten ja meine Nachbarsfrauen in Gaoual schon ungeduldig.

 

8:30 Ich möchte mich vom Jungen, der bei Fatima wohnt, verabschieden. Ach so, der fährt auch mit bis in die Stadt, erfahre ich gerade. Fatima möchte ihn noch kurz in der Schule für den Ferienkurs anmelden. Also spontane Planänderung. Ich lade Fatima bei der Schule aus und fahre unterdessen zu mir nach Hause, um meine Nachbarsfrauen aufzuladen.

 

9:00 Bei mir angekommen. Natürlich sind die Frauen noch nicht fertig. Immerhin sind sich einige schon am hübsch machen. Der Vater von Binta fragt, ob das Auto auch Bänke im Kofferraum hat. Natürlich, weshalb denn? Ach nur so. Vielleicht wollen ein, zwei Kinder auch noch mit, meint er. Endlich sind alle im Auto: 4 Nachbarsfrauen inklusive 6 Kindern. Dazu noch 2 Frauen mit Gepäck, die ebenfalls gerne bis ins Stadtzentrum mitfahren möchten. Wir sind also startbereit. Da fängt die kleine Dalanda* aus unserem Hof an zu kreischen, weil sie zu Hause gelassen werden soll. Da ja sowieso so viele Kinder dabei sind, wolle sie sie doch mitnehmen, meint ihre Mutter Neene Samba. Sie muss sie nur noch kurz waschen und anziehen. Kein Problem – wir warten gerne. Inzwischen haben auch mehrere Frauen versichert, dass die Namensgebungen im Dorf jeweils nicht so pünktlich anfangen. Kein Stress also …

 

9:30 Auch die kleine Dalanda geputzt und gestylt im Auto. Wir fahren ins Stadtzentrum und holen Fatima ab, die inzwischen ihren Jungen in den Ferienkurs gesteckt hat. Binta möchte gerne noch einen kurzen Stopp im Zentrum machen, damit sie Geschenke für die Mutter des Babies kaufen kann. Die Gelegenheit wird genutzt, um Znüni und Bonbons für die Kinder zu kaufen.  Natürlich fällt das Auto voller guineischer Frauen und Kinder mit weisser Chauffeusin auf. Ach, ihr fährt nach Kounsitel, fragt eine Frau. Ob sie nicht mitfahren könne? Na klar, es hat ja immer noch Lücken zwischen allen Frauen und Kindern.

 

9:45 Los geht’s Richtung Kounsitel. Nach ein paar Metern auf dem Teer - der sensationellerweise seit kurzem Gaoual erreicht hat -  sind auch die letzten Zweifel verflogen und alle vertrauen mir, dass ich Auto fahren kann. (In Gaoual gibt es vielleicht 30 Autos und fahren können die wenigsten - noch weniger die Frauen).

 

10:15 Wir erreichen das Zentrum von Kounsitel. Ein kurzer Stopp wird eingelegt, um die spontane Mitfahrerin mit ihrem Baby abzuladen. Binta gibt noch ein Packet ab für irgend eine Bekannte oder Verwandte. Und weiter geht’s ins Dorf von Maimouna. Es ist nicht mehr weit und irgendwann heisst’s dann: Halt, hier ist es!

 

10:30 Die frischgebackene Mama Maimouna freut sich sehr. Einige Frauen sind schon anwesend und fleissig am Kochen. Auch ein paar ältere Männer sitzen schon da. Wir dürfen kurz das Baby, das bisher noch nicht am Sonnenlicht war, betrachten und halten. Es wird von einem zum anderen gegeben. Dann sitzen wir im Rundhüttli von Maimouna. Die Geschenke werden überreicht.

 

11:30 Maimouna zieht auch noch ihr schönstes Kleid an. Das Baby wird nach draussen gebracht, der Name verkündet. Das Schaf, das geopfert werden soll, ist auch schon bereit. Uns werden Kolanüsse und ein Güggel geschenkt, um uns zu ehren.

 

12:15 Der offizielle Teil ist vorbei und alle Erinnerungsfotos geschossen. Ich frage, ob wir aufbrechen sollen. Nein, bekomme ich zu hören. Jetzt bekämen wir noch Reis und ausserdem würde der Güggel gleich hier für uns geschlachtet und gekocht. Ok, dann werden wir wohl unverhofft ein paar Stunden mehr im Dorf verbringen. Dies scheint jedoch niemanden zu stressen.

 

12:30 Wir befinden uns wieder im Rundhüttli von Maimouna wieder. Zur Zeitvertreibung kocht der jüngere Bruder von Binta den Attaya (Tee), den wir geschenkt bekommen haben.

 

14:00 Unser Güggel und Reis wird serviert. Wir essen, bedanken uns herzlich und verabschieden uns dann. Ein alter Mann will die Gelegenheit nutzen und bis ins Zentrum von Kounsitel mitfahren. Kein Problem. Fröhlich fahre ich mit meiner Schar los. Das war doch wieder ein richtiger Guineatag, an dem ich einiges gelernt habe, Beziehungen zu meinen Freunden und Nachbarn aus Gaoual gepflegt und gleichzeitig Maimouna eine Freude gemacht habe, denke ich. Doch die Freude währt nicht lange.

 

14:15 Kurz vor Kounsitel werden wir an einem Militärposten angehalten. Alle Papiere bitte, befiehlt der Militärmann. Blöderweise habe ich meinen Führerschein in Gaoual vergessen. Das ist natürlich nicht gut. Der sympathische junge Militärmann müsste mir eine Busse geben, aber weil ich’s bin, müsse ich nur die Hälfte bezahlen. Er würde gerne noch meine Handynummer haben, dann könnten wir mal etwas plaudern. Ich gehe nicht darauf ein, was ihn anscheinend nicht sehr erfreut. So muss ich vor den Chef treten und der hat leider keine Nachsicht. 100‘000 FG (umgerechnet 10 SFR.) will er. Dummerweise bin ich schon etwas guineisch und habe wirklich nur noch 20‘000 FG im Portemonnaie. Ja, dann müsse ich den Fahrzeugausweis beim Posten lassen und wenn ich die Rechnung bezahlt habe, würde ich ihn wieder bekommen, meint der Chef. Ich traue der Sache nicht und rufe einen meiner Schweizer Teamkollegen an. Doch die Militärmenschen lassen nicht mit sich verhandeln und sie haben ja auch Recht, da ich tatsächlich gegen das Gesetz verstossen habe. So warten wir am Strassenrand.

 

16:30 Der Teamkollege kommt mit dem Töff und bezahlt die geforderte Busse. Meine Mitfahrerinnen sind entsetzt über die hohe Summe. Nun geht es endlich heimwärts. Unterwegs möchte Neene Samba noch gerne Brennholz kaufen. Wenn man schon mal in einem Auto unterwegs ist, muss man das nutzen.

 

17:00 Zurück in Gaoual. Fatima lade ich im Zentrum ab, sie braucht noch Medikamente für ihr Baby. Die anderen bringe ich vor die Haustüre und kehre dann zurück ins Stadtzentrum, um Fatima aufzuladen und zurück nach Sinthourou zu bringen, wo auch das Auto zu Hause ist.

 

*Alle Namen sind wie immer geändert.

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Kommentare: 2
  • #1

    Doro (Donnerstag, 25 August 2016 22:31)

    Wow Naemi! Du gsehsch schon so richtig iiheimisch us u es macht dr Aaschiin, als wirsch du total integriert bi dine Nachbarslüt im Dorf u überhoupt... :-) So schön!

  • #2

    Damaris (Dienstag, 30 August 2016 17:05)

    Wow Naemi, was für es Abentüür! I bewundere dini Lockerheit und Freud, wo us de Zeile usechunt! Und überigens gsehsch super us ide traditionelle Chleider:-)