Ein fast normaler Tag

Zu eurem Überblick: Seit über zwei Monaten läuft nun das Kindergartenjahr. Dieses Jahr hat sich nach dem üblichen Anfangschaos schnell der Alltag eingespielt. Da wir nun neben den drei Klassen im Haupt-Kindergarten auch noch eine Klasse im Dorf 1 führen, pendle ich zwischen den beiden Standorten hin und her. Montag und Dienstag unterstütze ich die beiden Lehrerinnen im Dorfkindergarten. Mittwoch und Donnerstag verbringe ich im Hauptkindergarten, wo ich abwechslungsweise in den verschiedenen Klassen dabei bin und versuche unseren Lehrpersonen neue Inputs zu geben und kreative Unterrichtsmethoden zu vermitteln. Daneben habe ich auch die administrativen Aufgaben des Kindergartens zu erledigen und mit Behörden und Eltern zu kooperieren, da meine Teamkollegin, die dies vorher hauptsächlich abgedeckt hat, gerade für einige Monate in der Schweiz ist. In diesem Bereich unterstützt mich jedoch Monsieur Dansoko* in grossem Mass mit seinen kulturellen, religiösen und sprachlichen Insider-Kenntnissen.

Nun zum heutigen fast normalen Tag: Es ist Mittwoch. Ein Morgen im Hauptkindergarten steht also auf dem Programm. Ich habe geplant, während der ersten Lektion einige lernschwache Kinder aus der einten Klasse rauszunehmen und eine mathematische Förderstunde mit ihnen zu machen. In der zweiten Lektion möchte ich in einer anderen Klasse eine Art Modell-Lektion halten, um der Lehrerin zu zeigen, wie man den Kindern auf spielerische und methodisch sinnvolle Weise beibringen kann, eine Wellenlinie zu zeichnen. Doch manchmal kommt es in Guinea eben anders und manchmal sogar gleich doppelt. Der morgendliche Sport mit den Kindern aller drei Klassen ist gut über die Bühne gegangen, obwohl wir ein reduziertes Lehrerteam sind. Eine Praktikantin ist aus gesundheitlichen Gründen in ihr Dorf gereist und seither nicht mehr zurückgekehrt. Da es in ihrem Dorf kein Telefonnetz gibt, können wir sie nicht erreichen. Der zweite Praktikant ist ebenfalls nicht erschienen. Als ich ihn anrufe, erklärt er mir, dass er Medikamente für seinen kranken Vater besorgen müsse.

Die Kurzzeiterin aus der Schweiz hat gerade begonnen eine biblische Geschichte vor den gut 60 Kinder aus allen drei Klassen zu erzählen. Ich sitze mitten in der Kinderschar und freue mich auf die Geschichte, die meine Kollegin jeweils sehr spannend erzählt. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Monsieur Dansoko* im Gang mit einem Herrn spricht. Das ist nichts aussergewöhnliches, denn immer wieder kommen Eltern oder sonstige Bekannte, die etwas mit Monsieur Dansoko besprechen wollen. Die Geschichte wird gerade interessant, als mir Monsieur Dansoko ein Zeichen gibt zu kommen. Der Herr kommt vom Bildungsdepartement unserer Präfektur. Etwas nervös, weil ich nicht weiss, was der wichtige Mann möchte, setze ich mich auf einen Stuhl ihm gegenüber. Er besuche gerade alle Schulen in unserer Stadt, um ein paar Informationen zu erhalten, erklärt er uns. Alles wird in seinem I-Pad, das er mit sichtlichem Stolz gebraucht, notiert. Unsere Schule bekommt einen Code. Er will wissen, ob wir Toiletten und einen Brunnen im Kindergartenhof haben. Er schiesst ein Foto vom Gebäude und dem Brunnen. Dann ermittelt er mithilfe seines I-Pads die Koordinaten des Kindergartens, die er mir anschliessend diktiert. Es könne sein, dass mich jemand aus der Hauptstadt anrufe und danach frage. Schliesslich will er den Namen der Direktorin des Kindergartens wissen. Da meine Teamkollegin, die diese Funktion innehat, nicht hier ist, gebe ich mich als stellvertretende Direktorin aus und gebe ihm die gewünschten Angaben. Die erste Lektion ist inzwischen beinahe um – zum Glück arbeiten unsere Freiwilligen selbständig weiter. Der Herr verabschiedet sich und erwähnt im Gehen, dass er nun dem Dorfkindergarten einen Besuch erstattet.

Ich versuche die beiden Lehrerinnen im Dorf zu erreichen, um sie auf den Besuch vorzubereiten und einige Anweisungen zu geben. Während ich telefoniere, hole ich vier Kinder aus der einten Klasse, damit ich in der verbleibenden Viertelstunde doch noch etwas mathematische Förderung machen kann. Die Lehrerinnen im Dorf nehmen nicht ab. Sie haben wohl meine Anweisung, das Telefon während des Unterrichts auszuschalten tatsächlich beherzigt oder sie haben einfach beide kein Akku mehr. So entscheiden Monsieur Dansoko und ich kurzer Hand, dass es wohl besser ist, dass ich als stellvertretende Direktorin des Haupt- sowie des Dorfkindergartens ins Dorf fahre und unseren Lehrerinnen unterstütze. Die vier Kinder werden wieder in ihre Klasse geschickt ohne ihre Förderlektion erhalten zu haben. Monsieur Dansoko ruft seinen Sohn an, der mich mit seinem Motorrad abholt und die ca. drei Kilometer ins Dorf fährt. Als ich ankomme, ist schon fast alles über die Bühne. Die Lehrerinnen haben sich nicht schlecht geschlagen. Einzig die Koordinaten musste der gute Herr selber aufschreiben, da unsere Lehrerinnen so komplizierte Wörter beim besten Willen nicht aufschreiben können.

Ich werde wieder zurück in den Hauptkindergarten gefahren, wo inzwischen die Pause in vollem Gange ist. Nach der Pause kann ich nun in der anderen Klasse wie geplant die Modell- Lektion durchführen – denke ich. Denn kaum sitzen nach dem Händewaschen alle Kinder mehr oder weniger ruhig auf ihren Stühlen, kommt Monsieur Dansoko ins Klassenzimmer im Schlepptau ein Arzt und seine Assistentin. Sie wollen allen Kindern Vitamine verabreichen. So geht der erste Teil der Lektion auf Kosten der Gesundheit der Kinder vorbei. Endlich kann ich mit meiner Lektion starten. Durch alle Unregelmässigkeiten und Unvorhergesehenes sind die Kinder sehr unruhig und folgen nur mit Mühe dem Unterricht. Doch am Ende ist doch ein Teil der Klasse im Stande eine einigermassen schöne Wellenlinie auf die Wandtafel zu zeichnen.

 

Die Kinder werden entlassen. Die Lehrpersonen bleiben zurück, um die Lektion für morgen vorzubereiten. Müde fahre ich schliesslich mit dem Velo nach Hause. Zum Glück läuft nicht jeder Kindergartenmorgen so ab.

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Kommentare: 1
  • #1

    Doro (Samstag, 17 Februar 2018 21:44)

    Liebi Naemi.
    Erst etz grad hani di Iitrag vom Dezember gläse! Es isch eifach immer so spannend, dini Blog-Iiträg z läse u i ha aube grad churz s Gfüehl, e Blitz-Bsuech bi dir z mache :-). I wünsche dir eifach ou grad für di wichtig Arbeit, wo du mit dene kids und ou gäg usse mit de Eitere, Behörde u so machsch, ganz viu Weisheit, Fröid, Chraft u Glinge! Bis gsägnet.